Vor der Küste des ostspanischen Städtchens Santa Pola südlich von Alicante liegt eine kleine Insel mit dem Namen Tabarca. Vor dem 18. Jahrhundert hies diese Insel lapidar "Insel von Santa Pola". Sie ist bei Tagesausflüglern und vor allem bei Tauchern sehr beliebt, da ihre Umgebung reiche und vielfältige Fischgründe beherbergt, weshalb eine ausgedehnte Zone zum Naturreservat erklärtwurde.
First published: 13/01/2021 | Last update: 04/02/2021
Wenn man mal von Touristen und Saisoneinwohnern absieht, dann leben auf der Insel ganzjährig kaum mehr als dreissig Personen, aber die Insel ist ja auch nicht besonders gross. Viele Einwohner der Insel haben eigenartig italienisch klingende Nachnamen wie Ruso (Rosso), Carazoni, Parodi oder Pianello, die etwas über die Geschichte dieser kleinen Insel verraten.
Fangen wir bei Cervantes an:
"[...] In beiden Festungen verloren viele Männer von Bedeutung das Leben, unter ihnen Pagán Doria, Ritter des Johanniterordens, von hochherziger Gesinnung, wie es die grossartige Freigebigkeit bewies, die er gegen seinen Bruder übte, den berühmten Juan Andrea Doria; und was seinen Tod besonders beklagenswert machte, war, daÿ er durch ein paar Araber umgebracht wurde, denen er sein Vertrauen geschenkt hatte, als er die Feste schon verloren sah. Sie hatten sich erboten, ihn in maurischer Tracht nach Tabarca zu bringen, einem kleinen Hafen oder einer Niederlassung, welche die Genovesen zur Betreibung der Korallenfischerei an jenen Gestaden besitzen. Die Araber schnitten ihm den Kopf ab und brachten ihn zum Befehlshaber der türkischen Flotte; dieser aber machte an ihnen unser kastilianisches Sprichwort wahr, daÿ man den Verrat liebt und den Verräter haÿt, und demgemäss, so wird erzählt, liess der Befehlshaber die Leute aufknüpfen, die ihm das Geschenk brachten, weil sie ihm den Mann nicht lebend gebracht hätten. [...]"
Die Erzählung bezieht sich nicht auf die heutige Insel Tabarca, sondern auf Tabarqah, einer Insel vor der tunesischen Küste, auf der sich genovesische Korallentaucher niedergelassen hatten. Soviel Fremde an einem strategischen Ort vor seiner Küste waren dem Regenten von Tunis ein Dorn im Auge und so fiel er 1741 auf der Insel ein, metzelte einen Teil der Einwohner nieder und nahm den Rest gefangen. Als Sklaven fallen sie in die Hände des Sultans von Algier. Ihre Befreiung aus dem Sklaventum verdanken die Einwohner der nordafrikanischen Insel den Mercedaniern, einem Klosterorden, der sich dem Freikauf von Sklaven widmete. Sie leierten dem damaligen spanischen König Karl dem dritten das nötige Kleingeld aus den Rippen und kauften die Genovesen frei. Diese kamen dem spanischen König gar nicht so ungelegen. Vor der alicantinischen Küste gab es die unbewohnte Insel von Santa Pola, die berberischen Piraten als Stützpunkt diente, um von dort aus ihre Raubzüge entlang der ostspanischen Küste zu organisieren. Wenn man die Insel wehrhaft machen und Menschen ansiedeln würde, wäre das Problem gelöst, aber das war nicht so ganz einfach. Es gibt dort kein Süsswasser, keinen fruchtbaren Boden, ausser den reichen Fischgründen kurzum nichts, was jemanden dazu bewegen könnte, freiwillig dorthin zu ziehen. Ausserdem weiss jeder, der einmal seinen Urlaub auf Juist verbracht und nach einer Woche angefangen hat, an der Tischkante zu knabbern, dass man auf einer Insel geboren sein muss, um auf einer Insel zu leben.
Aber da waren doch die freigekauften Genovesen, die zuvor schon auf einer Insel gelebt hatten und ausserdem dem König zu dank verpflichtet waren. Also siedelte man sie 1770 auf der Insel vor Santa Pola an. Damit sich die neuen Einwohner auch wie zu Hause fühlten, benannte man sie kurzerhand in "Neu Tabarca" um und stattete die Insel mit Befestigungsanlagen aus. Damit war das Problem des Piratennestes ein für allemal erledigt. Mittlerweile ist von dem Namen "Nueva Tabarca" nur noch "Tabarca" übrig, aber die Nachnamen der Genovesen sind auch heute noch erhalten.